Weiter geht es mit dem etwas anderen Jugendwahn. Nachdem ich ja bereits auf die besondere Ausprägung der Kompetenz hingewiesen habe, die unserem niedersächsischen Innenminister Schünemann (CDU) innewohnt, und trotzdem auch schon die Bundesregierung selbst zu diesem Thema einen Rückzieher gemacht hat, im Zuge dessen sie die Arbeit der USK sogar explizit loben, lässt er sich nicht beirren. Er ist weiterhin fest davon überzeugt, dass die USK Gewaltspiele zu lasch bewertet, um unsere Kinder zu verderben. Deswegen beauftragte er jetzt ein “unabhängiges” Institut damit, die Arbeitsweise der USK anhand von 90 Spielen zu überprüfen. Aber damit noch nicht genug, er möchte auf lange Sicht die Herstellung und Verbreitung von brutalen Spielen in Deutschland komplett verbieten. Sprich: genau das Vorhaben, von dem sich die Bundesregierung kürzlich distanziert hat.
Kleine Randnotiz: vor ein paar Wochen hatte ich ein kurzes Gespräch mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, das im Großen und Ganzen recht ergebnislos war – wohl nicht zuletzt, weil es nicht so ganz in sein Ressort fällt. Aber da er nunmal bei einer kleinen SPD-Festivität bei mir im Dorf zu Besuch war, weil er für diesen Wahlkreis Direktkandidat ist, habe ich ihn mal aufgesucht. Zunächst einmal hatte ich Mühe, ihm klar zu machen, dass tatsächlich die Forderung nach komplettem Verbot von Gewaltspielen in öffentlicher Debatte steht. Darauf meinte er nur, das wäre mit der Verfassung nicht vereinbar und “jeder Politiker hat das Recht, auch mal Blödsinn zu reden“. Er weigerte sich aber partout, anzuerkennen, dass eben dieses Vorhaben Teil des Koalitionsvertrags war (damals noch unbestritten) – er war felsenfest davon überzeugt, dass dies nur auf Jugendschutz bezogen war, Erwachsenen könne man so etwas doch nicht verbieten. Aber da mussten wir das Gespräch leider abbrechen, vielleicht hat er zuhause noch mal nachgelesen, aber ich bezweifle es.
Nunja, zurück zu Schünemann, was ist das überhaupt für ein Mensch? Zunächst einmal ist die schon fast klischeehaft zum Killerspiele-Hetzer gehörende Mitgliedschaft im Schützenverein anzumerken. Ich will den Schützenvereinen ja nichts unterstellen, aber es ist schon witzig, wie jemand, der dort Mitglied ist, behaupten kann, man würde mit einem Gamepad oder einer Maus den Umgang mit einer Waffe lernen. Darüber hinaus zeichnet er sich als Hardliner bei der Flüchtlingspolitik aus – Anträge von Einwanderern sind nach ihrer Nützlichkeit für Deutschland zu bewerten, nicht nach den Gründen ihrer Flucht. Man könnte meinen, wir hätten hier eine Art “kleine Version” von Günther Beckstein in der heimischen Landesregierung. Aber er versucht sein offenbares Vorbild mit Forderungen nach elektronischen Fußfesseln ohne richterlichen Beschluss für Verdächtige und Trennung von Flüchtlingskinder von deren Eltern ab dem 15. Lebensjahr sogar noch zu übertreffen.
Und dann noch etwas zum “unabhängigen” Institut namens Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KfN). Dessen Direktor, Professor Doktor Christian Pfeiffer, ist hinlänglich als Gewaltspielekritiker bekannt. Interessant fand ich zum Beispiel folgendes Zitat, auf die Frage, was er zuletzt gespielt habe: “Ich spiele nie! Doch, ich habe Counterstrike gespielt und all das gesehen, was der Jugendliche aus Erfurt gespielt hatte. Es war ziemlich zum Kotzen.“. Ich bin mir sicher, er versteht sich gut mit Schünemann.
Die USK hat inzwischen auch geantwortet, natürlich mit Unverständnis. Unter anderem gehen sie dabei auf die Aussagen von Pfeiffer ein, dass gewaltverherrlichende Spiele auf dem deutschen Markt frei verkäuflich seien. Diese sind aber nach §131 des Strafgesetzbuches längst verboten, er solle doch Anzeige erstatten, wenn er solche Spiele entdeckt hätte. Die Frage ist aber eher, was bezeichnet dieser Mensch als gewaltverherrlichend? Vermutlich alles, wo Blut zu sehen ist, wenn er das relativ harmlose Counterstrike schon ziemlich zum Kotzen fand. Der Begriff ist aber fest definiert und steht nicht zur freien Verfügung, um damit ein Produkt seiner Wahl als Unantastbar zu brandmarken.
Wenn die Geschichte der letzten paar tausend Jahre irgendetwas bewiesen hat, dann das: Gewalt liegt in der Natur des Menschen. Es ist nicht möglich, diese durch idealisierte Gesellschaftsbilder wegzudefinieren. Man muss nur darauf achten, wie damit umgegangen wird. Wenn diese dazu führt, dass Lebewesen zu Schaden kommen, sollte man dies natürlich so gut es geht verhindern. Aber wenn erwachsene Menschen gewalttätige Spiele spielen oder Filme gucken, bedeutet das noch lange nicht, dass sie diese Gewalt nach außen tragen. Die paar kranken Geister, die sich davon Inspiration für wirkliche Taten holen, werden auch nicht durch Verbot von Medien zu friedliebenden Mitbürgern mutieren, selbst wenn diese Verbote sie irgendwie davon abhalten würden, was stark zu bezweifeln ist. Auch Jugendliche, die die Regelungen des Jugendschutz mit oder ohne Hilfe (bzw. Ignoranz) der Eltern umgehen, würde ein Verbot nicht im Geringsten tangieren – im Gegenteil, es würde den Reiz nur verstärken. Man bestraft einzig und allein die Gruppe von Menschen, die damit problemlos umgehen können. Zum Glück scheint dies zumindest die Bundesregierung eingesehen zu haben, aber Schünemann erweist sich als äußerst erkenntnisresistent.
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