Ein Innenminister demonstriert Inkompetenz

Der Spiegel berichtet über unseren (also jedenfalls meinen) niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zum Thema Jugendschutz. Dieser hatte das Bedürfnis, eine Stellungnahme abzugeben, wie sie in den letzten Jahren in nahezu identischer Form auch bereits von diversen anderen Ministern und Ministerpräsidenten zu hören war. Analysieren wir diese mal repräsentativ für alle anderen:

  • Schünemann hält es für unsinnig, sein Handeln auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stützen. Als “Beweis” für den unaufschiebbaren Handlungsbedarf zieht er das populäre Beispiel Erfurt 2002 an. Blöd dabei ist nur, dass die Geschichte mit der Counterstrikevorliebe des Erfurt-Attentäters eine Erfindung der Presse war – die Polizei hat ausgesagt, dass er nicht einmal einen Internetanschluss hatte, geschweige denn Counterstrike auf der Festplatte. So formt die Bild-Zeitung die öffentliche Meinung bis “hinauf” ins Ministerium…
  • Schünemann setzt extreme Gewaltdarstellungen in Spielen mit Kinderpornografie in Zusammenhang. Er vermeidet natürlich penibel den direkten Vergleich, den könnte man zu schnell widerlegen, aber er möchte dennoch gerne Parallelen ziehen. Ebensogut könnte ich schreiben: “Genauso wie die Politik von Adolf Hitler stößt die Politik von Uwe Schünemann nicht immer auf Gegenliebe.” Aber so etwas würde ich natürlich niemals tun…
  • Schünemann behauptet, dass die Arbeit der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) für den Jugendschutz unzureichend ist. Als Begründung dient ihm dafür, dass die USK bisher 3500 Spiele getestet hätte und nur 23 davon (“nicht genügend”) wären mit dem Ergebnis “Keine Kennzeichnung” versehen worden. Dieses ist die Vorraussetzung dafür, dass ein Spiel indiziert und somit quasi vom Markt genommen werden darf. Die USK weiß hingegen nicht, wo der Minister diese Zahlen hernimmt, sie hätten nämlich insgesamt über 15000 Spiele geprüft und davon wurden 91 die Kennzeichnung verweigert (40 alleine 2005). Und ich frage mich darüber hinaus: muss denn hier eine gewisse Quote erfüllt werden? So nach dem Motto: “Und wenn nicht genügend Gewaltspiele erscheinen, verbieten wir einfach ein paar Hüpfspiele!”? Aber wie er schon über sich selbst sagt: er ist kein Experte…
  • Schünemann sieht ein großes Problem in dem Phänomen, dass mehr und mehr Menschen online, also mit- bzw. gegeneinander im Internet spielen. Er kann kein Beispiel nennen, was daran gefährlich sein soll, aber es ist problematisch. Inspiriert haben ihn zu dieser Gefahrenwitterung die Berichte des Magazins Frontal 21, dessen populistische Hetztiraden das Internet letztes und vorletztes Jahr zum Kochen gebracht haben. Ein altes Sprichwort sagt: “Was der Bauer nicht kennt, fährt er mit dem Trecker platt!”, oder so ähnlich…
  • Schünemann sagt, man müsse die Arbeit der USK von Zeit zu Zeit kontrollieren. Damit beweist er dann endgültig, dass er sich mit dem Thema nicht richtig beschäftigt hat. Denn wie die USK natürlich darauf erwidert, wird sie durch die Landesjugendbehörden sowieso ständig überwacht. Außerdem weist sie freundlich darauf hin, dass das Thema Jugendschutz ohnehin nicht zum Aufgabengebiet des Innen- sondern des Jugendministers fällt. Aber vielleicht ist dieser zu beschäftigt, um mit populistischem Gesülze auf Wählerstimmenfang unter den verunsicherten, hauptsächlich älteren Bevölkerungsgruppen zu gehen…

Wie ich bereits sagte, diese Geschichte unterscheidet sich so gut wie gar nicht von den Aussagen z.B. eines Günther Beckstein, weder in den Kernaussagen noch in der Qualität der Recherchen. Kritik prallt an diesen Personen ab, wird als Lobbyarbeit der Videospielemafia angesehen, die unsere Kinder mit möglichst blutrünstigen Spielen in die Arme des Teufels locken will. Alleine schon der Hinweis, dass die Begriffe “Video-/Computerspiele” und “Kinder” nicht immer untrennbar miteinander verbunden sind, ist offensichtlich sehr schwer aufzunehmen.

2 Gedanken zu “Ein Innenminister demonstriert Inkompetenz

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