Killerspiel des Monats

Nein, nicht ich habe dies gewählt, sondern Zeitungen und zeitungsähnliche Magazine! Es handelt sich um das blutrünstige, menschenverachtende, seelenfressende… Final Fantasy VII! Ein japanisches Fantasy-Rollenspiel für die PlayStation 1 (später auch auf PC erschienen). Die USK hat es übrigens ab 12 Jahren freigegeben.

Final Fantasy VII

Wem solche Spiele nicht so vertraut sind: es handelt sich hierbei um ein fantastisches Märchen in Comicgrafik, bei dem man eine epische Geschichte interaktiv miterlebt und dabei immer wieder von rundenbasierten Kämpfen unterbrochen wird. In diesen Kämpfen wartet man, bis eine seiner Figuren an der Reihe ist und wählt dann in einem Menü aus, ob sie mit der Waffe angreifen oder z.B. Magie anwenden soll. Durch die Kämpfe erhält man Erfahrungspunkte, mit denen man die Fähigkeiten seiner Charaktere verbessern kann. Neue Fähigkeiten kriegt man, wenn man gründlich sucht und Geheimnisse knackt. Von vielen wird gerade dieses Spiel als bester Vertreter seines Genres angesehen.

Aber nun ist es ein “Killerspiel”, weil sich zwei durchgeknallte 17-jährige nach zwei von den Bösewichten in dieser Geschichte benannt haben, bevor sie anscheinend aus purer Langeweile Menschen getötet haben. Und weil sich niemand (inklusive der Täter) erklären kann, wie es zu dieser Tat gekommen ist, fand man schnell die einfachste und derzeit recht beliebte Erklärung: Videospiele sind Schuld! Hätten die beiden bloß niemals Final Fantasy VII in die Finger gekriegt, dann wären es jetzt immer noch zwei kreuzbrave zuvorkommende Mustersprösslinge, die mit dem friedlich geklauten Auto auch noch für einen Regenwurm gebremst hätten.

Sehr schön war diese Nachricht auf den RTL-Newseiten formuliert. Leider führen die kein Archiv, verwerfen Meldungen nach einigen Stunden wieder und so kann man es nur auf anderen Seiten zitiert nachlesen: “Die beiden Schüler spielten offenbar das sogenannte Killerspiel Final Fantasy. [...] Psychologen wissen: Kinder verlieren bei solchen Spielen den Bezug zwischen Scheinwelt und Realität…“. Gut, dass sich da alle Psychologen einig sind, fantastische Geschichten sind nichts für Kinder, die sollen Berthold Brecht oder noch besser gleich wissenschaftliche Sachbücher lesen. Und natürlich kriegt man ein bis zwei Klicks weiter im RTL-Shop alles rund um das gefährliche “Killerspiel” angeboten. Man möchte also an der teuflischen Saat mitverdienen, wie scheinheilig…

Das Frühstücksfernsehen von Sat1 findet noch drastischere Worte: Die beiden hätten “offenbar ein brutales Computerspiel nachgespielt”. “Kurz vor den Morden sollen sich die 17-jährigen nur noch mit den Namen der Helden [...] angeredet habenEin Spiel, in dem die Figuren ohne Gnade töten!“. Dazu habe ich mal drei Anmerkungen:

  1. Es handelt es sich bei Sephiroth und Reno nicht um die Helden, sondern wie gesagt um die Bösen, sie können auch nicht gespielt werden.
  2. Die Bilder zum Beitrag stammten von Final Fantasy VII: Advent Children – ein Film! Dieser bezieht sich zwar auf das Spiel (spielt 2 Jahre danach), aber es ist nun mal ein (Killer-?)Film und kein Spiel. Thema verfehlt, 6, setzen!
  3. Wenn die beiden die Handlung aus der Perspektive von Sephiroth nachspielen wollten, hätte das ungefähr so aussehen müssen: sie müssen einen Meteor auf die Erde lenken, damit sich an der Einschlagstelle der Lebensstrom (quasi die Energie der Seelen aller Verstorbenen) des Planeten konzentriert, um die Wunde zu heilen. Dann begeben sich die beiden an diesen Ort, um dort die konzentrierte magische Energie in sich aufzusaugen und das gesamte Leben auf dem Planeten mit sich zu verschmelzen, wodurch eine neue Lebensform entsteht. Ach ja, nicht vergessen, sie hätten auch unglaubliche physische und magische Kräfte, weil ihnen in der Kindheit Zellen einer außerirdischen Lebensform injiziert wurden. Das nachzuspielen halte ich dann doch eher für schwierig.

Die Hetzkampagne gegen Videospiele schwankt zwischen Wahn-, Blöd- und Stumpfsinn. Mit Formulierungen wie “Waren es wieder die Videospiele?” werden automatisch die hanebüchenen Unterstellungen des letzten dümmlichen Beitrags als erwiesen dargestellt. Permanent wird die alte Masche mit dem Wiederholen der ewig gleichen falschen Behauptungen durchgezogen, wenn man es überall und immer wieder nachlesen kann, ist es doch vermutlich wahr, oder nicht?

So ist es kaum noch eine Erwähnung wert, dass Becksteinchen seinen Gesetzesentwurf für das “Killerspiele”-Verbot nun in den Bundesrat eingereicht hat. Auch auf EU-Ebene wird die Kampagne ausgeweitet, mit unterschiedlichem Erfolg. Um dem Ganzen nachdruck zu verleihen, werden “Killerspiele” ständig in einem Atemzug mit Kinderpornographie genannt. Das ist Volksverhetzung reinster Güte und sollte eigentlich als Kriterium für die Amtsniederlegung ausreichen!

Erstaunlicher finde ich nun, dass sich anscheinend schon die Mehrheit der Bevölkerung von der Kampagne verdummen lassen hat. Das erreicht man mit ganz simpler Umfragemanipulation, die erste Frage beschreibt einen Fall von jugendlichem Amoklauf und die nächste bietet eine scheinbare Lösung des Problems durch Verbote an. Um das nochmal ganz klar zu stellen: harte Gewaltspiele sind für Jugendliche bereits heute verboten (außer Final Fantasy VII). Die eigentliche Zielgruppe, nämlich erwachsene Spieler, ist hier angeklagt, weil sie offenbar massenhaft Jugendlichen solche Spiele zur Verfügung stellen, weshalb man auch ihnen diese wegnehmen muss. Die anderen Bezugsquellen, z.B. die Schwarzkopie übers Internet, sind durch das generelle Verbot eh nicht im Geringsten betroffen.

Darüber hinaus muss man sich mal eins vor Augen halten: nehmen wir einfach mal die Absurdität als gegeben an, dass gesunde Menschen durch den Konsum von Gewaltvideospielen zu Mördern werden. Wieviele Menschen sind in den letzten 20 Jahren durch solche Psychopaten umgebracht worden? Wie viele Menschen sind im selben Zeitraum durch Alkoholmissbrauch gestorben? Wie viele Menschen sind im selben Zeitraum bei Autounfällen ums Leben gekommen?

Im Namen des Sicherheit wird ein Bürgerrecht nach dem anderen gestrichen. Überwachungsstaat ist schon beschlossene Sache, der Zensurstaat ist in Arbeit, bald wird es wieder Inoffizielle Mitarbeiter geben, die mal kurz bei Gelegenheit im Medienschrank des Nachbarn unauffällig nach Final Fantasy stöbern…

6 Gedanken zu “Killerspiel des Monats

  1. Wo Du gerade Autounfälle ins Spiel bringstH demnächst wird den Herrschaften sicherlich auch noch aufgehen, das mann in Rennspielen (die dann aber bald “Raser-Spiele” heißen werden…) mit viel zu hoher Geschwindigkeit fahren kann. Wie unangemessen. Sowas gehört doch wohl auch verboten. Damit gäbe es dann auch keine “Disco-Toten” mehr. So engstirnig kann die Welt sein…

    Zu dem Artikel (mal wieder) 100% Zustimmung.

  2. Pingback: Das Blog-Ha.us » Killerspiele…mal wieder…

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  4. Also ich schreibe gerade für die Berufsschule eine rede zu dem Thema und muss mich hier bei dem Autor bedanken!

    Der Text ist super geschrieben und es sind viele Beispiele aufgetaucht, die ich in die Rede einbauen werde.

    Also großes Lob an den Autor

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