Also gut, erfunden ist ein wenig übertrieben – aber zumindest gehören alle Sonnenblumen seit letztem Jahr Pioneer. Ja, auch die in Nachbars Garten. Die haben nämlich Ende letzten Jahres vom europäischen Patentamt das Patent auf (festhalten) normale, nicht genmanipulierte Sonnenblumen zugeteilt bekommen. Nein, es handelt sich nicht einmal um eine besondere Zucht. Sie erheben Ansprüche auf die Züchtung, das Saatgut, die Pflanzen selbst, die Herstellung von Öl, die Verfütterung an Tiere und überhaupt jegliche Verwertung.
Hieß es nicht einst, dass man eine gewisse Erfindungshöhe aufweisen muss, damit ein Patent erteilt werden kann? Schon in der leidigen Softwarepatent-Debatte ist dieses Kriterium offenbar nicht mehr so wichtig, wie sonst kann man sich zum Beispiel ein Patent auf Kontextmenüs erklären, welches locker 10 Jahre nach deren Erfindung eingereicht wurden (und nicht vom Erfinder selbst). Das Paradebeispiel hierfür ist immer noch Amazons 1-Click-Patent – jeder Shop im Netz muss sich (zumindest in den USA) von Amazon die Lizenz kaufen, wenn es irgendwelche Inhalte mit nur einem Klick zum Kauf anbieten möchte. Andernfalls muss es somit mindestens 2 Klicks erfordern, bevor sich die Ware auf den Weg macht. Schwachsinn reinst.
Aber als ob das Thema nicht schlimm genug wäre, werden nun die Tiere und Pflanzen dieser Erde von den internationalen Konzernen vereinnahmt und zum Eigentum erklärt. Dabei ist der größere Teil des Vorwurfs nicht einmal bei skrupellosen Firmen wie Pioneer anzusiedeln, die ohne mit der Wimper zu zucken auch Atemluft patentieren würden, wenn sie es dürften. Schlimm ist es vom Patentamt, einer staatlichen Behörde, welches solche Patente genehmigt und damit die Rechte seine Bürger quasi an den Meistbietenden verscherbelt. Der Beamte, der seinen Stempel auf den Sonnenblumenwisch gedonnert hat, sollte eigentlich zwangsversetzt werden zum Jauchegrubenprobesulen für patentierte Schweine.
Ich habe auch eine Idee für ein Patent, reiche ich gleich morgen ein: ab heute beanspruche ich alle Rechte zur Haltung, Fütterung, Beobachtung und Jagd von normalen, nicht speziell gezüchteten, nicht genmanipulierten Stubenfliegen! Diese putzigen Viecher sind ja so nützlich und vielseitig. Alle Kinder lieben es, ihnen beim Toben zuzusehen, beim Herumrüsseln zwischen den Kuchenkrümeln des Kaffeetischs, beim lustigen Liebesspiel im Spätsommer. Sie fördern nebenbei auch deren Gesundheit, weil sie das Immunsystem mit frischen Keimen von teils weit entfernten Kackhaufen trainieren, die sie dezent beim eleganten Tanz auf der Salami verteilen. Und sie wecken das Tier im Manne, der bei der Vernichtung seine Urtriebe ausleben und Erfolgserlebnisse genießen kann, und auch die Bewegung tut gut.
Von all diesen Vorteilen meiner Stubenfliegen können sie auch zukünftig einfach zuhause profitieren. Sie erklären sich mit den AGB der Planet-Stubenfliegen-Vertriebsgesellschaft einverstanden, indem sie gelegentlich ein Fenster oder eine Tür öffnen. Die Lieferung erfolgt frei Haus, bezahlen können sie bequem per Bankeinzug. Tagessätze und weitere Details finden sie hier auf dieser Seite, sobald das Patent genehmigt wurde.